Dezember 2024 - Chile/Unterwegs auf der Carretera Austral

19. Dezember - 31. Dezember 2024

 

Vom Städtchen Perito Moreno fahren wir zur Grenze und checken ob wir alles haben, oder nicht mehr haben (Lebensmittel). Die Ausreise aus Argentinien ist schnell erledigt. Aber die Kontrolle bei den Chilenen ist dieses Mal noch strenger. Die junge Frau öffnet forsch jedes Schränklein bei uns in der Kabine, stellt viele Fragen, Beat muss alle Aussenstaufächer öffnen, die Heckbox am Iveco aufschliessen, sogar die Motorhaube hochklappen. Den Honig aus El Calafate habe ich am Morgen schon einer Mitarbeiterin auf dem Campingplatz in Perito Moreno in die Hand gedrückt und gesagt „Para ti!“, für dich, sie hat gelacht „Oh, Muchas gracias“. Honig darf man gar nicht über die Grenze nehmen, in El Calafate habe ich damals nicht an den nächsten Grenzübertritt gedacht. Alles gut, wir dürfen los und schon sind wir im ersten chilenischen Dorf nach der Grenze, in Chile Chico, hier gefällt’s uns. Alles ist grün, wir sehen Bäume voller roter Chriesi, wow. Wir machen einen Dorfrundgang, besuchen das Café, kaufen wieder Gemüse und Früchte ein, sogar einen Sack Chriesi an einem Stand auf der Strasse, sitzen in den Park und essen gleich die Hälfte der süssen Früchtchen auf, so knackig fein! 

Nach einer ruhigen Nacht auf dem Mirador kurven wir 120 Kilometer entlang des Sees Lago General Carrera, es geht aufwärts und abwärts und um viele Kurven, mit immer wieder tollen Blicken auf das tiefblaue Wasser. 

Nach rund 120 km biegen wir ein in die Carretera Austral, DIE berühmte Strasse in Chile die von Puerto Montt bis ganz in den Süden nach Villa O’Higgins führt. Es heisst es ist Chiles schönste Route in die Einsamkeit, ab den 1970er Jahren vom Militär durch die Wildnis geschlagen. Für viele sind die 1200 Kilometer Piste ein Abenteuer, sei es mit dem Camper, per Töff oder Velo. Auch wir möchten diese Strecke unter die Räder nehmen. Obwohl, so abenteurlich wie früher ist sie nicht mehr, viele Streckenabschnitte, vor allem im nördlichen Teil, sind inzwischen mit Teerbelag aufgepept, das tut aber den Naturschönheiten keinen Abbruch. 

Nach unserem Einbiegen in die Carretera Austral wenden wir uns nach Süden. Vor uns liegt eine Sackgassen-Strecke von rund 350 Kilometern bis nach Villa O’Higgins. Diese Kilometer gilt es für uns auch wieder retour zu fahren bevor es dann weitergeht Richtung Norden und Puerto Montt. Für uns ist der Anfang/Ende der Carretera Austral in Villa O’Higgins ein allerletzter südlichster Endpunkt einer Strasse, ein letzter „Fin del camino“.

An uns vorbei ziehen blaue Seen, eingerahmt von Bergen mit Schneekappen, der Rio Baker mit seiner schönen Farbe begleitet uns, es ist bäumig, wir sehen kleine Landwirtschaften, lauschige Matten, kurvig, hügelig und staubig erreichen wir Cochrane, das grösste Dorf an dieser Strecke. Hier kaufen wir ein paar Sachen ein, schliesslich ist bald Weihnachten und wir machen uns schon Gedanken über unser Weihnachtsmenu ;-), wo immer dieses auch stattfindet. Trübes Wetter folgt am nächsten Tag, wir durchfahren noch mehr Waldgebiete, sumpfige Matten, stossen wieder auf den Rio Baker bei unserem Abstecher ins lustige Dorf Caleta Tortel. Es ist hier richtig urwaldig, wir entdecken spezielle Pflanzen und Blumen am Wegesrand und diese grossen Rhabarberblätter sind richtig schön. Der Regen lässt nach, Zeit für einen Spaziergang durch dieses Caleta Tortel, ein spezieller Ort, am Wasser und komplett auf Stelzen gebaut. Wir steigen über schlipferig nasse Holztreppen in den Fjord hinab und spazieren auf Holzstegen ein richtig langes Stück dem Wasser entlang und durchs Dorf, gut wer hier ein Boot besitzt.

Ein Stück südlich von Caleta Tortel erwischen wir die Abendfähre von Puerto Yungay nach Rio Bravo, diese verkehrt gratis und franko über den See und ersetzt ein fehlendes Stück Strasse. Und welches Glück, ein schöner Nachtplatz am Fluss wartet auch schon auf uns. Bis nach Villa O’Higgins wird die Strecke spannend, wir fahren Bergstrecken, es folgen mehr Seen, Flüsse und auch die Sonne scheint wieder, welch schöne Ausblicke. Immer wieder überholen wir vollbepackte Velofahrer, schnaufend treten sie in die Pedale, viele tragen ein Staubtuch vor dem Gesicht, weil jedes überholende Fahrzeug eine Riesenstaubwolke hinter sich her zieht. Wir bewundern sie, so „härti Sieche“ sind diese Velofahrer, ein Knochenjob mit dem Velo hier in Patagonien unterwegs zu sein. Wir drosseln jeweils unser sehr langsames Tempo nochmals sobald wir einen Velofahrer sehen, um möglichst wenig Staub aufzuwirbeln.

Villa O’Higgins ist ein kleines, aufgeräumtes Dorf mitten in der patagonischen Wildnis, gegründet im Jahr 1966 um Flagge zu zeigen gegenüber dem Nachbarn Argentinien. Viele Jahre war das Dorf nur ein einsamer Vorposten, mit der Anbindung an die Carretera Austral wurde investiert und der Tourismus blühte auf. Für uns unvorstellbar so abgelegen zu wohnen, da gibt es nichts mit „Tschüss, ich gang mal chli uf Züri go lädele“. 

Wir fahren noch die restlichen paar Kilometer bis zum Hafen am Lago O’Higgins. Hier steht die Tafel, hier ist der Anfang oder das Ende der Carretera Austral, je nach dem. Für uns ist es jetzt der Anfang, es bleiben 1247 Kilometer bis nach Puerto Montt plus ein paar Abstecher, auf gehts, ab jetzt nur noch nordwärts! Aber zuerst geniessen wir die warme Sonne, finden einen Aussichtspunkt mit herrlicher Aussicht (es gibt auch Aussichtspunkte ohne Aussicht) am schönen Lago O’Higgins, verblöterlen den Nachmittag und bleiben für die Nacht. 

 

Nun ist der 24. Dezember da, wir peilen auf dem Rückweg Richtung Norden nochmals unser Flussplätzli an und geniessen für einmal ganz ruhige Weihnachten ohne Rummel und Glitzer, sondern nur mit einem feinen Tete-à-Tete, dem Rauschen des Wassers, Ruhe rundum…auch schön!

Die Retour-Kilometer nach Cochrane sind genauso schön wie die Hin-Kilometer. Hier in Cochrane haben wir ein Date und werden Adolf und Duri treffen. Wir stehen am Morgen schon am Dorfplatz, warten, unsere Wäsche ist deponiert in der Lavanderia bei Juanita, ich wische den Staub aus der Führerkabine, da klopft es an die Türe. Karin und Werner stehen draussen, wie schön, wir haben sie schon zwei/dreimal kurz getroffen. Das nächste Café ist nicht weit und zu schwatzen gibt es viel. Am Mittag treffen Adolf und Duri ein, so ist unser Wartetag in Cochrane lustig, kurzweilig und voller Neuigkeiten. Irgendwann löst sich der Höck auf, die anderen fahren noch ein Stück Richtung Villa O’Higgins, wir holen unsere Wäsche ab und steuern den Camping am See an. Es duftet heute Abend sehr parfümiert in unserem Iveco, Juanita hat unsere saubere Wäsche noch grosszügig mit einem blumigen Spray benetzt, wie hier üblich, so versinken wir am Abend mit einem süssen Duft in der Nase unter den frischen Decken.

Und schon sind wir zurück am zweitgrössten See in Südamerika, dem General Carrera und am Scheitelpunkt unseres Abstechers nach Villa O’Higgins. Wir umfahren den See, so blau liegt er vor uns, die Farben all der Seen und Flüsse sind bei Sonnenschein ganz einmalig, so intensiv blau oder türkis, eine Pracht!

Unser nächstes Ziel ist Puerto Rio Tranquilo. Hier gibt es Marmorhöhlen, wunderschöne Felsenhöhlen aus hellem, vieladrigem Marmor die man per Bootstour besuchen kann. Der Tag heute ist herrlich, Sonne pur, kein Wind, ein stiller See. So halten wir schnell Ausschau nach einer Tour und besteigen eine Stunde später ein kleines Boot. Dieses flitzt über den See, umrundet eine kleine Insel, steuert die Marmorhöhlen an und lässt uns die nächsten zwei Stunden staunen beim gondeln von Höhle zu Höhle, in die einen kann das Boot sogar ein Stück reinfahren, wunderschön diese Gebilde und Muster und die Stimmung an diesem Tag! 

Nach einem Abstecher ins Gletschertal Exploradores und einem Abstecher über eine Nebenstrasse nach Puerto Ibanez fahren wir von schöner, wieder anderer Landschaft umgeben in Coyhaique ein, eine kleine Stadt mit rund 60’000 Einwohnern. Hier gibt es herzige Cafés, einen 5-eckigen Plaza de Armas/Dorfplatz und alles was man braucht. Es regnet und der Silvester naht, vielleicht ist darum das ganze Dorf auf den Beinen an diesem Morgen, der Supermärt platzt aus allen Nähten und die Strassen sind gut besucht. Wir bekommen alles, es ist schon wieder Nachmittag und wir entscheiden uns für eine Nacht auf dem Camping im Dorf, siehe da, der gelbe Landrover von Marisa + Roland steht auch auf dem Platz, schön.

Heute ist der letzte Tag im alten Jahr, morgen fängt ein neues Jahr an - 2025! Was wird es uns bringen, was werden wir erleben? Wir sind gespannt und freuen uns! 

Weiter geht es Richtung Norden auf der Strecke der Carretera Austral...

 


Unsere Strecke vom 20. - 31. Dezember 2024
Unsere Strecke vom 20. - 31. Dezember 2024