November/Dezember 2024 - Argentinien+Chile/Feuerland...bis ans Ende der Welt

17. November - 02. Dezember 2024

 

Von der Lagune Azul ist der Weg bis zur Grenze nicht weit. Da die Ländergrenzen im untersten Zipfel von Südamerika zwischen Argentinien und Chile etwas speziell verlaufen werden wir in der nächsten Zeit mehrere Male über eine Grenze fahren, als erstes überqueren wir von Argentinien her die Grenze nach Chile. Die Chilenen haben sehr strenge Vorschriften für die Einfuhr von Lebensmitteln, besser man hat an der Grenze kein Fleisch, Gemüse, Früchte, Honig etc mehr im Auto, sortiert den Kühlschrank aus, kocht die kritischen Sachen oder isst sie vor der Grenze auf. Wir stehen Schlange an den Schaltern, bei den Argentiniern kurz, für die Einreise in Chile etwas länger, wir müssen ein Formular ausfüllen und ein paar Fragen beantworten, das können wir während dem Schlange stehen gleich online machen, die Einreise für uns, das TIP für den Iveco und die Kontrolle des Formulars geht dann schnell. Danach reihen wir uns mit dem Iveco in die Fahrzeugkolonne ein, der sehr nette Zollbeamte möchte in unseren Kühlschrank schauen, der ist fast leer und er ist zufrieden „Buen viaje!“, super! Wir rollen über die Grenze nach „Tierra del Fuego“, nach Feuerland, ein geheimnisvoller Name! 

Seit Magellan im Jahre 1520 durch die Meerenge segelte, die Magellanstrasse entdeckte und nach sturmumtosten Inseln, Kälte und Finsternis flackernde Feuer am Ufer entdeckte heisst der südlichste Teil dieses Kontinentes Feuerland. Der Archipel besteht aus der Hauptinsel „Tierra del Fuego“ und Dutzenden südlich vorgelagerten Inseln. Es ist der südlichste Punkt der Erde, der nicht vom ewigen Eis überlagert ist und Ushuaia ist die südlichste Stadt der Welt.

Im 17. Jahrhundert gab es rund 10’000 Ureinwohner in diesem Gebiet, in verschiedenen Gruppen. Dann kamen ab 1860 die Weissen, nahmen der indigen Bevölkerung brutal das Land und ihre Lebensgrundlage weg, schleppten Krankheiten ein und nur 50 Jahre später waren die Ureinwohner praktisch ausgerottet, man zählte im Jahr 1910 nur noch 350 Personen…

Auch wir überqueren das Wasser der Magellanstrasse, in einer halben Stunde per Fähre von Punta Delgada nach Punta Espora. In Cerro Sombrero verbringen wir unsere erste Nacht in Chile, ein kleines, sympatisches Dorf mit einem winzigen Lädeli wo wir etwas weniges einkaufen können.

Die Landschaft gefällt uns, es ist grüner, hat schöne, gepflegte Estancias mit viel Weideland und Tieren, wir sehen viele Schafe, Rinder, und die vielen Guanacos gehören schon längst zum täglichen Bild. Die Estancia-Tiere weiden hinter den Zäunen, die Guanacos aber sind freie Tiere und bewegen sich überall, meist sind sie gruppenweise unterwegs, die Zäune sind kein Hindernis für sie, ganz elegant springen sie auf die andere Seite. Leider gibt es immer wieder Guanacos die ihren Sprung falsch einschätzen, mit einem Bein hängen bleiben, sich im Zaun verheddern, nicht mehr loskommen und einen jämmerlichen Tod sterben. Gruselig sind die Reste solcher Tiere über einem Zaun hängend, kein schöner Anblick. 

Wir bleiben ein paar Tage in Chile, fahren in gerader Linie südwärts, durch Berge, dann der Küste entlang nach Cameron. Hier werden gerade die Schafe geschoren, ein Traktor mit Anhänger steht bereit, auf dem Wagen liegt schon aufgetürmt eine grosse Menge an gepressten Ballen mit Schafwolle. Aus der grossen Scheune springen mehr und mehr wollenbefreite, verschreckte Schafe und sammeln sich in den Pferchen. Wir spazieren durchs Dörfli, auch hier hat es ein Minilädeli, anstatt frisches Gemüse gibt es Essiggemüse im Beutel zu kaufen. Auf staubiger Piste fahren wir weiter bis zur alten Goldgräbermaschine „Draga aurifera“ bei Russfin, ein grosses, gut erhaltenes, rostiges Ungetüm steht hier mitten in der Landschaft, ein guter Platz zum gleich bleiben für die Nacht. Wir raffeln gerade Rüebli für den Znacht, da kommt ein gelber Toyota angefahren, es sind Marisa und Roland, die Zwei haben wir schon mal kurz auf der Halbinsel Valdés getroffen. Schön, rein zu uns in die gute Stube, bei einem Bierchen gibt es viel zu erzählen und die Zeit vergeht wie im Flug. Am nächsten Morgen heisst es schon wieder Tschüss, wie fahren weiter, sie auch, in die andere Richtung. 

Wir möchten hier in Chile bis zum Ende der Strasse fahren in Caleta Maria. 

Die Strecke führt uns auf einer Piste durch sumpfiges Gebiet mit viel Biberspuren, Wald mit so viel totem Holz am Boden, über zwei Pässe, entlang der Seen Deseado und Fagnano bis zur Meeresbucht und zum „Fin del Camino“ im winzigen Weiler Caleta Maria. Wir lieben solche Kilometer!

Nun stehen wir hier am Wasser, laufen ein Stück am Strand, Beat meint „Lueg, sind das ächt Pinguine det hinde uf dere Sandbank?“ Ich schaue angestrengt in die Ferne, und als hätten sie auf ihren Auftritt gewartet, steigen genau in diesem Moment neben uns zwei wunderschöne Königspinguine aus dem Meer, wow, welche Überraschung und welches Glück, wir freuen uns riesig über diese zwei lustigen Gesellen, geschmückt mit Orange und Gelb. Sie watscheln hin und her, strecken sich, schauen rundum, studieren, nach einer Weile bewegen sie sich wieder Richtung Wasser und schwups, verschwinden sie in den Wellen des Ozeans. Ein schönes Erlebnis, ganz für uns! 

Am nächsten Tag nehmen wir den Retourweg in Angriff, er ist genau so schön wie der Hinweg. Wir nisten uns am schönen Lago Blanco ein, bleiben zwei Tage, laufen dem See entlang, sitzen draussen und geniessen die ungewöhnliche Windstille und die milden Sonnenstrahlen an diesem Tag. 

   

Es geht wieder über die Grenze, von Chile nach Argentinien. Eine schöne Strecke führt uns durch die Pampa bis nach Tolhuin. Hier gibt es eine bekannte Bäckerei mit Café mitten im Dorf, diese fahren wir an, aber ohaaa, so viele Leute stehen Schlange an diesem Samstag, der Laden ist übervoll, alle Tische sind besetzt, also zuerst einmal zum verrückten Camping Hain am Ufer des Lago Fagnano. Vor einigen Tagen fuhren wir auf der anderen Seite dieses 100 Kilometer langen Sees entlang, in Chile, auf unserer Tour nach Caleta Maria, lustig. Dieser Camping am Seeufer ist ein spezieller, witziger Ort, alles ist übervoll „dekoriert“ mit alter Ware, wir fühlen uns wie in einem Openair-Brockenhaus. Auch Adolf fährt auf den Platz, und nicht weit weg vom Camping gibt es das kleine Beizli „Enriquetas“, wir reservieren und sitzen am Abend gemütlich zu Dritt im urchigen Stübli, mit feinem Essen und sehr netter Bedienung. Am nächsten Tag spazieren wir dem Strand entlang und bis ins Dorfzentrum, der Wind tobt nicht mehr ganz so wild, es ist sonnig, aber kalt. Wir steuern nochmals die Bäckerei an, diesmal klappt es, die Schlange ist überschaubar, wie kaufen ein paar feine Sachen und finden sogar einen freien Tisch für’s Kafi. 

Die Berge, verziehrt mit Schneekappen, rücken näher und näher und die Kilometer von Tolhuin Richtung Ushuaia sind spannend. Es geht ein Stück dem Lago Fagnano entlang und danach dem wunderschönen blauen Lago Escondido, wir  erklimmen Höhe, fahren über den Pass Garibaldi und weiter unten durch ein Tal. Hier parkieren wir den Iveco und wandern zur Laguna Esmeralda, ein schön eingebetteter See inmitten einem Bergkessel. Es ist eine bekannte Wanderung hier in der Gegend, es ist schon späterer Morgen, der „frühe Vogel fängt den Wurm“ gilt nicht mehr, so sind neben uns noch diverse andere Wanderer aller Gattung unterwegs zum See.

Und dann fahren wir durch die Tore von Ushuaia, yehhh, wir sind am südlichste Ziel unserer Reise! Schon lange träumen wir davon einmal hier zu stehen mit dem Iveco, nun sind wir tatsächlich da, unglaublich, mein Herz macht einen riesigen Freudensprung!

Ushuaia ist die grösste südlichste Stadt der Welt, hinter der Stadt ragen die steilen Berggipfel empor, die auch im Sommer den Schnee nicht ganz verlieren, und vor der Stadt breitet sich das eisblaue Meer des Beaglekanals aus. Geschäftig ist das Leben hier, alles ausgelegt auf die vielen Touristen die jedes Jahr hierher kommen. Bald ist Hochsaison, Sommer, und es wimmelt von Autos und Menschen. Von hier aus kann man Schiffstouren machen im Beaglekanal oder ins ewige Eis der Antarktis, und der Nationalpark „Tierra del Fuego“ lockt mit schöner Natur und Wanderwegen. Wir spazieren durch die Gassen der Stadt, es reiht sich Lädeli an Lädeli und diverse Abenteuragenturen werben für ihre Angebote. Im Hafen liegen die Schiffe zur Abfahrt bereit, kleinere für die kurzen Touren und die grossen für die Antarktistouren.

Auch wir haben geliebäugelt mit einer Schiffstour in die Antarktis, es gibt 10-13 -tägige Touren durch die Drakepassage ins antarktische Eis oder die 3 -wöchigen Touren, die über die Falklandinseln und Südgeorgien in die antarktische Eiswelt führen. Lange im Voraus buchen und an einen fixen Termin gebunden zu sein wollten wir nicht. Die Reisen sind sehr teuer, aber es gibt immer Chancen auf kurzfristige Super-Last-Minute Angebote. So wollten wir abwarten und es darauf ankommen lassen. Wir haben uns bei verschiedenen Agenturen für den Last-Minute-Newsletter eintragen lassen, es trudeln immer wieder Mails ein mit „Deals“, aber keines kann uns so richtig überzeugen. Je näher wir Ushuaia kommen, desto intensiver machen wir uns Gedanken über eine Antarktisreise. Unser Feuer und unser Wunsch auf dieses Abenteuer ist lange nicht mehr so gross wie noch vor einigen Monaten. Das empfindliche Gebiet der Antarktis wird immer mehr vermarktet, viele der Schiffe sind Luxusschiffe mit all-inklusiv, immer mehr wird geboten für die Touristen. Um nicht per Schiff durch die stürmische Drakepassage fahren zu müssen, kann man sich zum Beispiel auch per Flugzeug transportieren lassen und erst drüben auf der antarktischen Peninsula aufs Schiff umsteigen. In unserem Reiseführer gibt es keine Infos über Antarktisreisen, sondern eine Notiz dass sie dringend abraten von einer solchen Reise. Wir studieren nochmals die aktuellen Angebote, jetzt wo wir in Ushuaia sind, und entscheiden uns schlussendlich dagegen. Für uns ist das gut so, unser Feuer wird kein Antarktis-Gletschereis schmelzen. 

Wir reisen auf dem Land weiter durch diese wunderschöne Landschaft und fühlen uns pudelwohl dabei.

Im Nationalpark „Tierra del Fuego“ zahlt man Eintritt, darf 3 Tage bleiben und 2 Nächte auf einem Camping stehen im Park. Hier im NP an der Bahia Lapataia endet die Strasse RN3, weiter fahren geht nicht mehr! 

Nach einer ruhigen Nacht auf dem Camping am Fluss wandern wir auf einem schönen Pfad durch viele Bäume bis zum Ende der Strasse, auch Adolf wandert mit. Hier ist einiges los, Cars und Busse kommen und gehen, ein Gewusel an Menschen diversester Nationen, alle wollen ein Foto schiessen mit der Tafel am Ende dieser speziellen Strasse, wir natürlich auch! Weiter laufen wir dem Wasser entlang bis zum Leuchtturm, sitzen, beobachten die Vögel, entdecken bunte Blumen im verwunschenen Wald. Auch ein kleines Postbüro gibt es in der Gegend, direkt am Wasser auf einem Steg in der Bucht Ensanada, es ist das südlichste Postbüro der Welt, aber leider ist es geschlossen, es gibt keinen „Fin del mundo“-Stempel für eine Postkarte.

Im Osten von Ushuaia liegt auf einer kleinen Halbinsel die Estancia Haberton, im Jahr 1886 von einem britischen Missionar gegründet. Leider kann man die Estancia inklusive das Museum nur mit einer 2-stündigen Führung besuchen, schade, diese verpassen wir knapp, bleiben aber für eine Weile bei Kafi und Kuchen im schönen Restaurant höckeln und geniessen den tollen Ausblick. Der Gründer der Estancia und auch sein Sohn versuchten die bedrohten Yangas im Süden Feuerlands zu schützen, ihnen verdankt man das intensive Studium dieser Ureinwohner, Thomas Bridges verfasste sogar ein umfangreiches Wörterbuch in Yagan-Englisch, sein Lebenswerk. 

Wir fahren noch ein Stück weiter auf dieser Piste und übernachten ganz windig, schön und alleine am Beaglekanal. Auch diese Strasse endet bald - „Fin del camino“ - weiter geht es nicht! Diese Nacht stehen wir an unserem wirklich ganz, ganz südlichsten Punkt mit dem Iveco!

Die Nächte sind aktuell sehr kurz hier und die Tage sehr lang, so geniessen wir Sonnenschein bis spät in den Abend und bevor der Hahn kräht am Morgen steht die Sonne auch schon wieder am Himmel, wie schön! Für uns heisst es nun: wieder nordwärts fahren! 

In Rio Grande legen wir einen Servicetag ein, und am anderen Tag stehen wir schon wieder vor einem Grenzposten, Argentinien - Chile. Alles läuft reibungslos und zügig, die chilenische Beamtin nimmt es diesmal aber genauer mit der Kontrolle und möchte in alle Schränklein und Schubladen schauen, dann nickt sie und meint „Todo bien“.

Wir fahren Richtung Westen, auf dem Weg nach Porvenir gibt es eine Kolonie von Königspinguinen, die einzige ausserhalb der Antarktis, diese möchten wir noch besuchen. Die Kolonie liegt auf einem Privatgelände, ist geschützt und man muss vorreservieren und eine Tour buchen. Das machen wir und können nun nicht nur zwei Pinguine wie in Galeta Maria, sondern rund 100 Königspinguine bewundern. So schön wie sie da stehen in Reih und Glied, wie die Farben leuchten und die Jungen vom letzten Jahr noch mit ihrem braunen, wuscheligen Federnkleid umherwatscheln. Langsam verlieren sie jetzt diese Federn und sehen bald aus wie richtige erwachsene Pinguine.

Der Wind weht auch an diesem Tag mehr als zügig über’s Land, so stehen wir dick eingepackt eine Stunde bei den Pinguinen und sind trotzdem bald richtig durchfroren, brrrr. Und jedesmal wenn einer von uns etwas sagt, fegt der Wind unsere Wort vom Mund weg und nimmt sie mit auf seine wilde Reise, huiii und fort sind sie…„Beat, was häsch gseit, ich han nüt verstande!“ Mit dem fast immer stürmischen patagonische Wind muss man klarkommen in diesem Teil von Südamerika, wir sind nur froh, hat er den Iveco noch nie allzufest in seine Klauen gepackt. 

Wir nehmen die Bergstrasse Richtung Porvenir, übernachten mit Wind und Graupelschauern in luftiger Höhe und sind am nächsten Morgen im Dorf. An der Laguna de los Cisnes gibt es ein wunderschönes Phänomen zu sehen, das Ufer ist voll von Stromatolithen, kalkigen Hügel aus Sedimentgestein, die mit Hilfe einer speziellen Bakterienart entstehen. Wir haben noch Zeit und düsen zur Lagune. Wow, ist das schön hier! Auf einem langen Holzsteg spazieren wir weit hinaus und bewundern die eigenartigen Gebilde an dieser Lagune. Es ist bedeckt, dann schickt die Sonne ein paar Strahlen auf den See, die Farben erstrahlen, es sieht fantastisch aus!

  

Hier endet unser Inselerlebnis „Feuerland“ - von Porvenir aus nehmen wir die Fähre rüber aufs Festland nach Punta Arenas, fahren bald weiter Richtung Puerto Natales und zum Nationalpark Torres del Paine!

   


Unsere Strecke vom 17. November - 02. Dezember 2024
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