07. März - 04. April 2019
Unsere letzte Reiseetappe führt uns durch die frühlingshafte Bergwelt der Appalachen bis ins turbulente Umfeld von Baltimore und Washington.
Die Küste vom romantischen Städtchen St. Augustine Richtung Norden ist ziemlich nobel verbaut, Häuser reihen sich an Häuser entlang dem Meer, dazwischen Grünflächen, Hotels, Golfplätze, Einkaufsmeilen.
So landen wir in der Nähe von Brunswick, auf dem ländlichen, am Fluss gelegenen Camping Blythe Island, das entspricht uns eher. Wir brauchen ein Päuschen und bleiben zwei Tage hier. Da wir keinen Full hookup-Platz brauchen mit Strom-Wasser und Abwasseranschluss, können wir uns hier ins Primitive Camping-Areal stellen, das sind die Plätze für die Zeltler. Unser Iveco passt wunderbar in eine dieser lauschigen, sandigen Nischen, all die Wochenend-Zeltler sind noch fern, so ist ausser einem Platz, dem unseren, keiner besetzt und wir geniessen es hier inmitten von zartem Frühlingsgrün.
Wir studieren die Karten, überlegen...und entschliessen uns, die Ostküste hier zu verlassen, aus Meeresluft wird frische Landluft! Wir lenken den Iveco nach Nordwesten und fahren quer durchs flache Land Richtung Augusta, entdecken einen geheimnisvollen See voller Bäume, aber ohne Wasser, überqueren einen grossen Staudamm, kurven entlang verwinkelter Gewässer bis zu den Tallulah Falls.
Hier steigen wir über steile Treppen zum Fluss hinunter und spazieren anschliessend in der Höhe entlang der Schlucht, mit schönen Ausblicken in die Tiefe. Begleitet werden wir von diversen Warntafeln (hmmm...?). Das muss ja sehr gefährlich sein auf diesem Weg! Ist es gar nicht, es ist eine gemütliche Wanderung und gesunde Fitness über Treppenstufen! Schön ist es allemal hier und unser Nachtplatz am Abend etwas abseits, am Rande der Schlucht, ist wunderbar!
Wir lassen das Flachland hinter uns, die Region wird immer hügeliger, viele Wege locken über die Berge, entlang von Seen und Flüssen Richtung der Great Smokey Mountains, schön ist es hier, wow! Wir können uns kaum entscheiden welche Strasse wir nehmen sollen, die Auswahl ist gross. Sollen wir hier lang, oder lohnt sich wohl dieser Umweg, oder ist es vielleicht schöner über diesen Berg zu fahren, immer diese Entscheidungen ;-)?
Wir scrollen durch unser Top-Navigations-App „MapOut“ auf dem IPad und nehmen die Strasse die nur noch als dünnster Strich sichtbar ist. Es täuscht uns nicht, schon erklimmen wir auf einer coolen Pisten die waldigen Höhen und fahren endlos über einen Hügelzug ins nächste Tal, super, das gefällt dem Iveco und uns! Wieder in der Tiefe geht es schon über die nächsten Hügel, entlang von Seen mit rustikalen Häuschen, direkt am Wasser gebaut, nach Robbinsville und weiter zum Fontana Lake südlich des Great Smoky Mountains Nationalparks.
Übrigens, neben Papierkarten für den grösseren Überblick benutzen wir hauptsächlich das App "MapOut" zum Navigieren und uns über die Gegend zu informieren. Wir sind begeistert von diesem App, es zeigt die Landschaft in einer superschönen Darstellung mit genauester Topografie, für uns wohl das wichtigste App auf dieser Reise! Es kann offline benutzt werden nachdem man im Voraus die Karten heruntergeladen hat.
Unser Garmin-Navi-Gerät im Cockpit benutzen wir auch in Städten immer weniger, schon zu oft hat es uns auf unerklärlichen Wegen in die Irre geführt.
Auf einem kleinen Pass treffen wir auf einige Wanderer, der Schweiss rinnt ihnen von der Stirn, die Rucksäcke sind gross, erschöpft sinken sie auf die Bänke des Rastplatzes. Der berühmte Appalachian-Trail schlängelt sich durch diese Gegend, ein 3500 Kilometer langer Fernwanderweg der im Osten der USA durch 14 Bundesstaaten führt, von Georgia im Süden bis nach Maine im Norden. Wir bieten den müden Gesellen Wasser, Kaffee oder etwas zu essen an. Natürlich möchten wir wissen, wie lange sie schon unterwegs sind und hören gespannt zu was sie zu erzählen haben. Schon mehr als 200km liegen hinter ihnen, einige sind für 3 oder 4 Wochen unterwegs, andere möchten in diesem Sommer die ganze Strecke schaffen, ein fernes Ziel. Der Ehrgeiz ist noch jung, die Strecke noch lang, wir wünschen ihnen viel Power für dieses gewaltige Abenteuer!
Beim Fontana Damm stehen wir auf der hohen Staumauer und staunen über die Wassermassen die in diesem Moment mit gewaltigem Druck und grossem Getöse unterhalb der Mauer aus den Röhren schiessen, Wasser wird abgelassen, unglaublich, diese Kraft und Gewalt! Lange sitzen wir am See, es ist sonnig und warm, die Luft erfüllt von Frühlingsduft. Wunderschön geht es weiter entlang des Flusses, dann über eine viel befahrene kurvige Bergstrecke. Schnittige Sportwagen und viele Töfffahrer sind hier unterwegs und geniessen die warmen Frühlingstage für eine erste Spritztour. Auch wir lassen uns Zeit, jeder warme Sonnenstahl ist ein Geschenk!
Über den Foothills Parkway und das Städtchen Townsend erreichen wir von Westen her den Great Smoky Mountains Nationalpark. Wir möchten durch das Tal von Cades Cove fahren, ein isoliertes, fruchtbares Tal inmitten der waldigen Berge des Parks. Ursprünglich war das Tal dicht besiedelt. Heute sind noch zahlreiche gut erhaltene Siedlungen und Gebäude dieser Pioniere zu bewundern, eine Attraktion des Nationalparks.
Der Name "Great Smoky" geht auf den hier natürlichen, von der Vegetation verursachten Nebel zurück der den Gebirgszug häufig überdeckt. Die Cherokee-Indianer gaben der Landschaft deswegen den Namen Shalonage = Ort des blauen Nebels. In den riesigen Wäldern der Great Smokies sind viele verschiedene Tiere und Pflanzen beheimatet, darunter rund 130 unterschiedliche Baumarten, die Gegend gilt als botanisches Paradies und lockt jedes Jahr viele Millionen Besucher an.
Wir staunen wieviel Volk schon im Park unterwegs ist, es ist knapp Mitte März! Erst langsam grünt es, die Osterglocken spriessen zaghaft und zaubern mit ihren gelben Köpfchen etwas Farbe in die karge Landschaft. In den riesigen Wäldern stehen die noch blattlosen Bäume als nackte Gesellen in Reih und Glied oder verlieren sich als Dickicht in wildem Wuchs, undurchdringlich von Lianen umschlungen. Der Boden ist noch bedeckt mit dem braunen, welken Laub des vergangenen Herbstes. Wunderschön ist die helle zarte Stimmung, die die Sonne mit ihren Strahlen durch den lichten Wald zaubert.
Wir dachten, um dieses Jahreszeit sind wir fast die Einzigen hier. Denkste! Wir finden uns in einer langen Autokolonne wieder die sich gemächlich durch dieses in einem Rundkurs als Einbahn zu befahrende Tal schlängelt, herrjehh, wie können wir uns da jetzt rausschmuggeln! Gar nicht, wir sind gefangen in der Schlange! So geht es gemütlich einmal rundherum, Blick nach rechts, Blick nach links, bei diesem Tempo haben wir mehr als genug Zeit alles in diesem herzigen Tal ausgiebig zu bewundern. An vielen Orten könnten wir gar nicht stoppen...keine Parkplätze!
Der Great Smoky Mountains Park ist recht gross, vieles an Infrastruktur ist noch geschlossen obwohl es hier schon zu- und hergeht wie in der Hochsaison. Für die Nacht parkieren wir auf einem der schon geöffneten Campgrounds. Es bieten sich viele Wandermöglichkeiten an, aber der nächste Tag ist trüb und grau, so verschieben wir das Wandern auf später. In Cherokee besuchen wir das Visitor Center und das Indianermuseum, dann schwenken wir ein auf den Blue Ridge Parkway, eine rund 750 Kilometer lange Panoramastrasse die durch die Bergwelt der Appalachen führt. Das erste Stück hat noch Wintersperre, so fahren wir einen kleinen Umweg und können bald auf die Panoramastrasse einbiegen. Der Blue Ridge Parkway ist unser „roter Faden“ auf dem Weg nach Norden, dieser Strasse folgen wir, mit Abstechern wo immer sie sich anbieten.
Es ist erst Nachmittag, der Himmel wird immer dunkler, es regnet, der Wind heult um den Iveco, wir fahren in dicksten Nebel hinein und sehen in Kürze kaum noch ein paar Meter weit, puhhh…so geht das nicht! Kurzerhand parken wir beim nächsten Aussichtspunkt und bleiben hier stehen. Die ganze Strecke dieser Panoramastrasse ist als Nationalpark markiert, so gilt hier eigentlich wie in allen Nationalparks „No Overnight Parking“, aber das ist uns egal, ein Weiterfahren ist schlichtweg unmöglich. Die ganze Nacht rüttelt und schüttelt es, der Sturm zerrt den Iveco hin und her, der Regen trommelt als Sturzbach aufs Dach, Vollwaschprogramm für Iveco!
Die nächste Aufhellung lässt auf sich warten. Erst am folgenden Nachmittag lichtet sich der Nebel, wir brauchen frische Luft und wandern den steilen Weg hoch zum Aussichtspunkt. Der Himmel reisst auf, frische klare Luft streicht über unser Gesicht, wir atmen tief ein und freuen uns über diese grossartige Stimmung über den Great Smoky Mountains! Als wir zurückkommen steht ein Parkranger beim Iveco und klopft gerade an unsere Haustür. Nach ein bisschen Smalltalk lässt er nebenbei einfliessen dass wir wohl wissen um das Verbot hier zu stehen über Nacht…blinzel blinzel…ja klar ;-)! Wir fahren weiter, schon bald finden die ersten Sonnenstrahlen den Weg zu uns und die Sicht ist um vieles schöner als gestern.
Die nächsten zwei Wochen geht es stetig voran auf dem Blue Ridge Parkway. Die Wälder sind voller Rhododendron, wie wunderschön muss es hier im Juni sein wenn sich all diese Blütenknospen öffnen und sich die Gegend in ein riesiges Farbenmeer verwandeln! Die Strasse führt uns in luftige Höhen mit herrlichen Ausblicken über Berge, Wald und weite Matten, Seen, Täler und Dörfer, es kommt uns oft vor wie auf den Hochweiden im Jura.
Wir kommen langsam voran, überall locken die Parkplätze der Aussichtspunkte für einen Stop, ein Sonnenbad auf unseren Campingstühlen, gemütliche Lesestunden an der Luft oder eine Wanderung. Oftmals sind wir die Einzigen an diesen Plätzchen. Es bieten sich auch immer wieder Abstecher nach links oder rechts an, hinunter ins Piedmont, die Gegend am Fusse des Gebirgszuges, mit Obstbäumen und ländlichem Leben. Wir fahren entlang der wilden Linville Schlucht, stehen auf dem Mount Mitchell oder dem Grandfather Mountain, entdecken ein "kleines Switzerland", spazieren zur schönen Steinbrücke bei Glasgow oder wandern durch den Frühlingswald zu einem der diversen Wasserfälle.
Das Wetter ist unruhig und hüllt uns mit seiner ganzen Palette ein, die Temperaturen sind frisch. Von Regen über Sturm, Frost, Eis und Nebel bis zu herrlich blauem Himmel, viel Sonnenschein und warmen Temperaturen erleben wir alles.
Noch nicht viele Leute sind unterwegs auf dieser Strecke, das gefällt uns ganz besonders! Fast jeden Abend finden wir ein „gäbiges“ schönes Nachtplätzli, wir fahren coole Pisten durch die Wälder, wo wir irgendwo im Nirgendwo bleiben...
Am Ende des Blue Ridge Parkways geht die Strasse nahtlos über in den Shenandoah Nationalpark und heisst jetzt Skyline Drive, weitere rund 100 Kilometer Höhenstrasse. Es muss noch einiges an Holz vom Eissturm im letzten November verräumt werden, so ist noch nicht die ganze Strecke offen. Wir übernachten auf dem einzigen offenen Campingplatz im Park, er ist fast leer, obwohl beim Parkeingang eine Tafel steht "Camping full" (?). Wir haben das schon oft erlebt, es ist immer besser, man vergewissert sich selber. Der Appalachian Trail verläuft hier, so wandern wir am anderen Morgen ein gutes Stück auf dieser Route. In der Früh zeigt das Thermometer -7 Grad an, brrrr...wir warten bis die Sonne wärmt und machen uns auf den Weg, bald ist es herrlich schön und angenehm warm.
Auf unserem weiteren Weg liegen die Tropfsteinhöhlen von Luray. So steigen wir hinab in die dunkle Tiefe dieser grossen Grotte, bestaunen endlose Säulen, schöne Zapfen, hängende "Fische" und viele Fantasiewesen in diesem riesigen Untergrund, fantastisch! Sogar das weltgrösste natürliche Musikinstrument versteckt sich hier unten, eine Orgel mit Stalaktiten als Orgelpfeifen! Als Zugabe zum Eintritt darf man gleich nebenan ein historisches Kutschen- und Automuseum plus ein Heimatmuseum besuchen, so ist der Tag schnell vorbei.
Es bleibt uns noch ein letztes Stück in der Höhe...und welch schöne Überraschung, wir sehen nochmals einen Bären, eine Bärenmutter mit ihrem Jungen! Ganz nahe im Wald suchen sie nach Futter und lassen sich nicht stören, wir können die beiden in Ruhe beobachten, so herzig!
Diese letzte Etappe ist richtig schön, es gefällt uns, es ist aber nicht die Strecke mit den speziellsten Highlights der ganzen Reise. Das macht uns aber gar nichts aus, wir sind gut gesättigt mit vielen wunderschönen Reisehöhepunkten der letzten Monate. Für uns passt es wunderbar, wir geniessen dieses „Uusplämmperle“ hier auf dieser einfachen, schönen Natur-Strecke! Wir brauchen keine grossen Aufregungen mehr, möchten nicht mehr viele, viele Kilometer fahren, suchen keine Action, nicht jeden Tag eine besondere Attraktionen.
Genau diese Ruhe die uns hier begleitet brauchen wir noch, sie macht uns den Kopf frei, gibt uns Zeit in Gedanken zurückzuschweifen auf dieses Jahr und stimmt uns auf zuhause ein!
Passend dazu legen wir im März die wenigsten an gefahrenen Monats-Kilometern des ganzen Reisejahres zurück.
Etwas wehmütig lassen wir die Berge endgültig hinter uns und nehmen direkten Kurs auf Baltimore! Fertig ist es mit der Ruhe, wir tauchen ein ins städtische Leben!
Für die nächsten Tage werden wir auf einem Campingplatz in der Nähe von Baltimore stehen. Hier räumen wir auf- und um, packen, putzen, und machen den Iveco bereit für die Verschiffung.
Bald ist es soweit, ein grosses Abenteuer geht dem Ende entgegen!
In Kürze werden wir berichten ob alles klappt mit der Abgabe im Hafen von Baltimore und was wir noch alles erleben in diesen letzen Tagen in den USA!